22.02.2016
Wirbelt die Deutsche Telekom das Geschäft der Netzbetreiber bald komplett durcheinander? Das Unternehmen plant eine global aufgestellte Plattform, die Dienste an Telekommunikations-Firmen verkauft. Die Einsparungen könnten massiv sein. Stehen uns damit nachhaltige Veränderungen ins Haus?
Barcelona - Die Deutsche Telekom will das Firmenkunden-Geschäft der gesamten Branche grundlegend umkrempeln. Sie gründet dafür eine neue Firma, bei der Telekommunikations-Anbieter weltweit Dienste für ihre Unternehmenskunden beziehen können. Das soll unter anderem die Kosten deutlich senken. Die ersten Partner aus der Telekom-Branche sollen am Montag (22. Februar) auf der Mobilfunk-Messe Mobile World Congress in Barcelona bekanntgegeben werden. Der Marktstart ist im ersten Halbjahr 2017 geplant.
Die neue Firma mit dem Namen Ngena ist „eine technische Plattform, die es ermöglicht, Telekommunkations-Dienstleistungen hochgradig automatisiert und damit günstig global zur Verfügung zu stellen“, sagt ihr Chef Marcus Hacke. Als ein Großhändler verkauft sie ihre Dienste an Telekom-Firmen, die daraus Produkte für Firmenkunden schnüren können. Telekom-Anbieter bräuchten etwa weniger eigene Infrastruktur, auch die Expansion in neue Märkte wird günstiger, weil man weniger eigene Netze oder Rechenzentren braucht.
Niedrigere Kosten sind ein starkes Argument in der Branche: Die Telekom-Anbieter klagen über sinkende Umsätze in der Sprachtelefonie und die Konkurrenz von Internet-Firmen. Mit dem Ngena-Modell könnten zumindest die reinen Produktionskosten durch den Wegfall manueller Arbeit zum Teil um die Hälfte gedrückt werden, heißt es. In der Zukunft dürfte auch die grenzübergreifende Vernetzung von Maschinen im sogenannten Internet der Dinge als neues Geschäft wichtig werden.
Zunächst gehört Ngena (eine Abkürzung von Next Generation Enterprise Network Alliance) der Telekom. Nach einem gewissen Zeitraum soll sie aber in den Besitz der Allianz-Partner übergehen. „Wir sind der Initiator, letztlich brauchen wir aber eine neutrale Firma, ein eigenes Unternehmen, das die Dienstleistungen an die Allianz-Partner verantwortet“, sagt Telekom-Manager Patrick Molck-Ude.
Die Höhe der Investitionen nennt die Telekom nicht. Die Plattform wird gemeinsam mit dem amerikanischen Netzwerk-Spezialisten Cisco aufgebaut. Beim Datenschutz gilt deutsches und europäisches Recht. „Ngena ist eine Gesellschaft mit Sitz in Eschborn in Deutschland und die Daten werden in Europa gehalten“, betonte Hacke.
Der Plan hat auch das Potenzial, das Geschäft der Branche über Angebote für Firmenkunden hinaus nachhaltig zu verändern: Die höhere Effizienz und niedrigere Kosten könnten den teilnehmenden Unternehmen erhebliche Wettbewerbs-Vorteile verschaffen. Auf lange Sicht wären einige global agierende Plattformen dieser Art mit angeschlossenen Telekom-Anbietern denkbar. Auch die heute oft hohen Roaming-Kosten kämen meist gar nicht erst in Frage, weil die Dienste gleich auf einer globalen Plattform aufgesetzt wären.
Telekom und Ngena schweigen sich dazu aus, ob sie sich auch den Beitritt eines weltweit agierenden Schwergewichts wie Vodafone zu der Plattform vorstellen können. Grundsätzlich gelte: „Wenn ein Provider bereits viel in eine eigene globale Plattform investiert hat, und im Schutz der eigenen Strukturen verharrt, ist der Ansatz für ihn weniger attraktiv“, sagt Hacke. Die Attraktivität sei daher für Dienste-Anbieter sehr unterschiedlich - „aber für die meisten sehr hoch, wie viele Gespräche bereits gezeigt haben“. Ngena will bis Ende 2017 rund 20 Partner haben, in der Regel jeweils einen pro Land. In China, wo viele Firmenkunden Geschäfte machen, will die Allianz auch präsent sein, aber es ist ein Markt, in den man schwer reinkommt.
Dass Telekom-Firmen ein Kontrollverlust durch die Auslagerung von Infrastruktur drohen könnte, weist Hacke zurück. „Die Allianz-Partner behalten die Kontrolle. Sie betreuen die Kunden und entscheiden, was zu welchem Preis angeboten wird.“ Vor allem in der Anfangszeit dürften Telekom-Anbieter Dienste aus der Ngena-Plattform stark mit Service auf Basis der eigenen Infrastruktur kombinieren. Sie sollen auch ihre Kapazitäten in die Allianz einbringen können.
Text: dpa/pvg